17. August 2023
Das Phänomen der gefühlten Unsterblichkeit

Unfälle geschehen, das ist leider immer noch Realität. Unfälle lassen sich verhindern, das ist die Grundlage jeder Sicherheitsarbeit. Aber genauso ist (nahezu) jeder davon überzeugt: Unfälle geschehen den anderen, aber doch nicht mir!

Woher kommt dieser Glaube, dass Unfälle allen zustoßen können aber nicht der eigenen Person?

Zur Klärung dieser Frage müssen wir weit in die Geschichte der Menschheit zurückblicken.

Dekoratives Bild weite Meereslandschaft, einzelne Person im Watt, auch ein Sinnbild für Unsterblichkeit.

In grauer Vorzeit lebte der Mensch in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler. In diesen Zeiten war das Überleben der Gruppe evolutionär wichtiger als das Überleben des Einzelnen. Wurden riskante Unternehmungen in der Gruppe durchgeführt, war der Erfolg der Unternehmung für die Gruppe das entscheidende Kriterium, Einzelschicksale spielten eine untergeordnete Rolle. Eine der riskantesten Unternehmungen der damaligen Zeit war die Jagd auf Großwild, meist mit Speer oder Pfeil und Bogen. Das Überleben der Gruppe hing davon ab, dass eine solche Jagd, z.B. auf ein Mammut gelegentlich erfolgreich beendet wurde, Verletzte oder in Einzelfällen Tote wurden sehenden Auges in Kauf genommen.

Dieses Erbe der Vergangenheit beschert uns in der Sicherheitsarbeit leider große Probleme: Mutig waren früher vor allem diejenigen, die fest davon ausgingen, dass allen anderen etwas passiert, nicht aber einem selbst. Das Phänomen der gefühlten Unsterblichkeit hat seinen evolutionären Siegeszug angetreten und ist heute nur schwer auszurotten. Man bedenke: es gibt seit ca. 2.000.000 Jahren Hominiden, seit 500.000 Jahren jagt der Mensch mit Waffen, aber erst seit 10.000 Jahren haben wir eine arbeitsteilige Kultur, wobei in den ersten Jahrtausenden Verluste weiterhin in Kauf genommen wurden. Erst in den letzten ca. 200 Jahren hat sich die Arbeitssicherheit und das Bewusstsein durchgesetzt, das Individuum, also einzelne Mitarbeitende als schützenswerte Entität zu betrachten! Und ja, in diesen 200 Jahren ist es noch nicht gelungen, das Erbe von 500.000 Jahren zu überdecken.

Dieses Thema betrachte ich im Newsletter Februar 24 näher. Meldet Euch hier zum Newsletter an.